Werden die Pläne für die elektronische Patientenakte von der Ampel nicht geändert, lande das Projekt vor Gericht – dies prognostiziert der Bundesdatenschutzbeauftragte Kelber.
Die elektronische Patientenakte (ePA) ist für Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach ein wichtiges Projekt. Der SPD-Politiker verspricht sich von der Digitalisierung große Vorteile – für Patienten, Ärzte und Krankenkassen. Die ePA soll dem Gesetzentwurf zufolge bis Anfang 2025 für alle Patientinnen und Patienten zur Verfügung stehen.
Bislang gibt es dafür freiwillige Angebote, die aber nur wenig genutzt werden. Künftig soll nach den Ampel-Plänen eine Widerspruchsregelung gelten – wer die ePA nicht nutzen will, muss dies aktiv mitteilen. Doch jetzt gibt es erhebliche Vorbehalte gegen das Vorhaben der Ampelkoalition.
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Nach Ansicht des Bundesdatenschutzbeauftragten verstoßen die Pläne gegen Grundrechte und EU-Datenschutzgesetze. „Es liegt auf der Hand, dass das automatische Befüllen mit besonders schutzwürdigen Daten das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gefährdet“, sagte Ulrich Kelber den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschlands (RND). Ohne Änderungen würde das Vorhaben deshalb vor Gericht landen.
Wenn die Ampelkoalition jetzt Regelungen festlegt, die bei Klagen hochgefährdet sind, weil sie nicht ausreichend differenzieren und dann im Zweifel für einen Stopp des Gesamtprojektes sorgen, wird der eigentlich guten Sache ein Bärendienst erwiesen.
Ulrich Kelber, Bundesdatenschutzbeauftragter
in automatisches Befüllen der Patientenakte darf es nach Ansicht Kelbers nur mit unkritischen Daten geben. Für alles andere sei eine Einwilligung der Versicherten nötig. „Dann dürfte die Lösung auch vor Gericht sehr gute Chancen haben, bestehen zu bleiben“, vermutete Kelber. Als unkritische Informationen wertete er zum Beispiel Behandlungen beim Zahnarzt oder Orthopäden und die Notfalldaten.
„Wenn die Ampelkoalition jetzt Regelungen festlegt, die bei Klagen hochgefährdet sind, weil sie nicht ausreichend differenzieren und dann im Zweifel für einen Stopp des Gesamtprojektes sorgen, wird der eigentlich guten Sache ein Bärendienst erwiesen“, sagte Kelber. Daten, die die intimste Privatsphäre der Versicherten beträfen und Anlass für Diskriminierung und Stigmatisierung sein könnten, dürften nicht automatisch aufgenommen werden. Kelber nannte dabei Informationen zu HIV-Infektionen, psychischen Erkrankungen oder Schwangerschaftsabbrüche.
Der Datenschutzbeauftragte kritisierte zudem den Plan der Koalition, wonach Krankenkassen künftig Zugriff auf die Abrechnungsdaten bekommen sollen, um die Versicherten auf Krebsrisiken oder fehlende Impfungen aufmerksam zu machen. „Auf diese Art entsteht der ,gläserne Versicherte’, was ein erhebliches Diskriminierungs-potenzial hat“, warnte Kelber. Das wirtschaftliche Interesse der Kassen sei dafür zu hoch. Er schlug vor, eine Stelle mit der Auswertung dieser Daten zu beauftragen, die keine eigenen wirtschaftlichen Interessen habe, etwa den medizinischen Dienst.
Gesetzliche Kassen stehen hinter elektronischer Patientenakte.
Der SPD-Gesundheitspolitiker Matthias Mieves wies die Kritik Kelbers zurück. Mit der Neuregelung werde „im Gegenteil die informationelle Selbstbestimmung verbessert“, sagte er der Nachrichtenagentur AFP.
„Bereits jetzt werden Patientendaten an vielen Orten gespeichert – während die Patientinnen keine Transparenz und Kontrolle darüber haben“, gab Mieves zu bedenken. Genau dies wolle die Koalition nun ändern.
Bei der ePA wissen die Versicherten, was dort über sie gespeichert wird und können selbst entscheiden, wer Zugriff darauf erhält“, hob Mieves hervor. Bei besonders sensiblen Daten werde noch einmal vorher nachgefragt. „Wir brauchen Gesundheitsschutz und Datenschutz. Genau das regeln wir“, sagte der SPD-Politiker.
Auch der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) stellte sich hinter die elektronische Patientenakte, die am Mittwoch auch Gegenstand einer Anhörung im Gesundheitsausschuss des Bundestages war. „Mit dem Digital-Gesetz und dem Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG) macht Deutschland in Gesundheit und Pflege endlich große Schritte in Richtung Digitalzeitalter“, hieß es in einer Stellungnahme des GKV-Spitzenverbands.
Dabei sei die Umstellung auf eine freiwillige, widerspruchsbasierte ePA für alle Versicherten „besonders positiv hervorzuheben“, hieß es weiter. Der GKV-Spitzenverband sehe in der geplanten Widerspruchslösung „eine große Chance und kein Risiko“, betonte dessen Sprecher Florian Lanz.
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Quelle: Tagesspiegel (lem)